Der bugglerde Sonntag Der bugglerde Sonntag – eine Liebeserklärung Gottesdienstbesucherinnen und -besucher schauen aus dem Fenster: “Soll ich heute oder soll ich nicht? - Doch, ich will!“ Und sie gehen zum bugglerden Sonntag, eben auch weil es ein bugglerder ist. Er ist ihnen allen lieb und teuer, der bugg- lerde Sonntag - und seien es auch nur die fünf Besucher in der alten Kapelle in Meck- lenburg, wo es nur noch wenige Getaufte gibt oder die elf im Bethaus in Nowosibirsk. Was ist besonders am bugglerden Sonntag? Nichts! Es geschieht an ihm, was von Anbeginn der Kirche und überall auf der Welt geschieht: Es wird gesungen, gebetet, Gemeinschaft gefeiert, aus der Bibel gelesen und versucht, sie – so gut wie möglich – für die Gegenwart auszulegen und sich anzueignen. Es gibt ihn in Feuerland und in Indien, in Alaska und auf den Osterinseln, in Nürnberg und in Fürth, - den bugglerden Sonntag. Man muss ihn einfach liebhaben. Es gibt auch andere Sonn- und Feiertage, die man lieb haben kann: Weihnachten, Ostern, Konfi rmation, Familiengottesdiens- te mit Kirchencafé, Festgottesdienste mit großer Musik und ich habe sie auch lieb, aber mindestens genauso lieb habe ich den bugglerden Sonntag. Pfr. Dr. Gunnar Sinn („bugglerd“ ist fränkisch und unübersetz- bar – Ungefähr: unauffällig, durchschnitt- lich, normal) Er ist nicht an Ostern, Pfi ngsten oder Erntedank – der bugglerde Sonntag. Irgendwann im Februar ist er, wenn es drau- ßen bitterkalt ist oder im August bei 33°C oder im November bei Dauerregen - der bugglerde Sonntag. Viele Pfarrerinnen und Prediger machen sich viele Gedanken in der Woche vor dem bugglerden Sonntag, lesen sich den Predigt- text immer wieder durch, sehen vielleicht noch mal im hebräischen oder griechischen Urtext nach. Einige lesen Fachliteratur, medi- tieren, laufen ziellos durch die Wohnung, schlafen mäßig, ringen mit dem Bibelwort für den bugglerden Sonntag. Musiker und Organistinnen suchen passen- de Vor- und Nachspiele für Choräle heraus, üben, scheitern vielleicht immer wieder an der gleichen Tonfolge, - aber am buggler- den Sonntag wird es klappen und wunder- bar klingen. Die Lektorin hat sich den Sonntag frei gehalten, liest um 8.00 Uhr nochmal ihre Texte durch, zieht sich schön an, zieht den Lippenstift nochmal nach für die wichtigen Momente, in denen sie am bugglerden Sonntag vor der Gemeinde steht und Epistel und Evangelium liest. Der Mesner steht noch früher auf, zündet die Kerzen an, richtet die Gesangbücher, öffnet vielleicht die Weinfl asche für das Abendmahl am bugglerden Sonntag. Seite 18 I Herbst 2023